Buchauszug Matthias Henze: „Das Unternehmen bist du“

Buchauszug Matthias Henze: „Das Unternehmen bist du“

Matthias Henze (Foto: PR / Murmann Verlag)

Es wird schnell existenziell

Das Problem bei den Selbstständigen ist, dass Krisen schnell existenziell werden. Umfangreiche Rücklagen haben die meisten nicht gebildet, das Geld reicht manchmal nur für wenige Monate, wenn überhaupt. Da werden ausbleibende Kunden schnell zum Problem.

Und wenn die gesamtwirtschaftliche Lage ohnehin angespannt ist, kann es sich auch zu einer Krise ausweiten. Dass Selbstständige sich überproportional zur Gesamtwirtschaft bedroht fühlen, sehen wir in den Daten, die wir regelmäßig erheben. Gemeinsam mit dem ifo Institut veröffentlichen wir jeden Monat den

Jimdo-ifo-Geschäftsklimaindex für Selbstständige. Der spiegelt die Geschäftslage und Erwartungshaltung für die nächsten sechs Monate wider. Den Index haben wir während der Coronakrise gestartet, weil wir sehr deutlich gemerkt haben, dass Selbstständige und Kleinstunternehmen (bis zehn Mitarbeitende) überhaupt keine Beachtung in den Medien und der Politik bekommen und dass ihre Lage kaum bekannt zu sein scheint. Vor dem Start des Index’ hatten wir einige Umfragen unter Kleinstbetrieben durchgeführt und stellten fest, dass diese ihr Geschäftsklima während Corona teils ganz anders einschätzten als die vom ifo Institut befragten größeren Firmen.

Während der ifo-Index zum Beispiel im April 2021 schon wieder deutlich stieg, befand sich der Jimdo-Index der Kleinstfirmen deutlich im Minus. Das war für uns die Bestätigung, den Index aus der Taufe zu heben – da es eben kaum Daten über Selbstständige gab und wir es entscheidend fanden, diesen wichtigen Wirtschaftszweig mit validen Daten zu untermauern.

Mittlerweile hat der Index seinen Platz in den Medien gefunden. Er wird beachtet und auch die Folgen werden diskutiert. Denn in den Daten sehen wir inzwischen sehr klar, dass sich prozentual  mehr Selbstständige existenziell bedroht fühlen als größere Unternehmen. Gerade im Krisenjahr 2024 war das für 18 Prozent der Soloselbstständigen der Fall. Hochgerechnet waren das 600 000 Solounternehmer.

600 000 Menschen, die nicht wussten, ob sie ihr Unternehmen so weiterführen können wie bisher – und das in einer sich zuspitzenden wirtschaftliche Lage in Deutschland.

Die Rezession, die immer noch spürbaren Auswirkungen von Corona und des Ukrainekonflikts, eine nur allmählich abklingende Inflation, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten von Branchengrößen wie VW oder Bayer haben Auswirkungen auch auf viele Selbstständige und kleine Unternehmen.

Dass sich so viele bedroht fühlen, muss nicht sein.

»Gib lieber auf!«

Diese 600 000 Menschen (vielleicht sind es 2025 noch mehr oder auch weniger) stehen jedenfalls extrem unter Druck, haben Kopfkino und schlafen vermutlich schlecht. Sie haben etwas aufgebaut, sie haben sich ihren Traum verwirklicht und nun steht er auf dem Spiel. Das belastet nicht nur sie selbst, auch die Familie und Freunde merken es. Vielleicht bauen diese sogar noch zusätzlichen Druck auf oder säen Zweifel, ob man da auch wieder rauskommt. »Gib lieber auf, wie willst du da wieder rauskommen?!« Das kann sehr unangenehm sein. Selbstständigkeit heißt, man steht für etwas. Was man macht, ist auch Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Und wenn das eben nicht mehr läuft, dann trifft einen das als Mensch. Krisen haben nicht nur einen finanziellen, sondern vor allem auch einen mentalen Charakter. Wie geht man damit um? Was ist der Weg heraus?

Und wie hält man dabei seine Gefühle in Schach?

Raus aus der Krise:

Warum hast du angefangen?

Wenn gefühlt alles gegen dich läuft, hilft eine entscheidende Frage: Warum hast du angefangen?

Warum hast du dich selbstständig gemacht?

Es hilft ungemein, sich zu vergegenwärtigen, was zum Start motiviert hat – gerade weil man sich in diesen existenziellen Krisen unweigerlich die Frage stellt: »Soll ich nicht einfach aufhören?« Wir alle hatten diesen Gedanken schon hundertmal. Sollten wir nicht mehr haben. »Warum hast du angefangen?«, das ist der Gedanke, den man weiterverfolgen sollte. »Willst du wirklich die Person sein, die das Familienunternehmen schließt?«  »Willst du die Frauen, die du mit deiner Mode empowern wolltest, alleinlassen?«

Meine Frage beim Aufbau unseres Unternehmens war immer: »Willst du die Selbstständigen wieder sich selbst überlassen und nicht der coole Techpartner für sie sein?« Diese Frage hat mich durch so manchen schwierigen Moment in den letzten Jahren getragen. Erinnerst du dich an das erste Kapitel, in dem es darum ging, dass es wichtig ist, ein Thema zu haben, das eine Bedeutung für dich hat?

In diesen Momenten ist es essenziell, ein starkes Warum zu haben. In die gleiche Kerbe haut der Rat einer Gründerin, die ich neulich getroffen habe: »Wenn es deinem Business nicht gut geht, dann denke an die Kunden und was die vermissen würden, wenn es dich nicht mehr gäbe.«

Das war im Übrigen – ein kurzer, aber wichtiger Exkurs – auf einer Veranstaltung des Verbands internationaler Entrepreneurinnen in Deutschland. Da trafen sich mehr als 200 Gründerinnen aus 44 Nationen in Berlin. Das war sozusagen die Zukunft der deutschen Gründerszene, eine sehr weibliche Zukunft, mit einem sehr internationalen Hintergrund. Denn Menschen – und gerade Frauen – mit Migrationshintergrund bleibt oft nichts anderes übrig, als in Deutschland zu gründen.

Das führt auch dazu, dass die Gründungsquote von Personen mit Migrationshintergrund beeindruckend hoch ist, deutlich höher als die der einheimischen Bevölkerung. Der »Global Entrepreneurship Monitor« (GEM), den das RKW Kompetenzzentrum zusammen mit der Leibniz Universität Hannover herausgibt, zeigt: Jeder fünfte Mensch mit Migrationsgeschichte hat in den vergangenen drei Jahren ein eigenes Unternehmen gegründet. Die sogenannte Gründungsquote bei Migranten (19,9 Prozent) sei damit mehr als doppelt so hoch wie bei Menschen ohne Einwanderungsgeschichte (8,3 Prozent). Und, das sei noch gesagt, der Einstieg in die Selbstständigkeit für Migranten ist hart, sie haben oft kaum Kontakte und bei Krediten sind Banken häufig noch zögerlicher als bei Nichtmigranten. Dennoch ergreifen sie die Chance. Und tatsächlich wächst eben auch die Anzahl der Frauen, der Gründerinnen mit internationalem Hintergrund entgegen dem allgemeinen Trend. Beeindruckend, weil genau diese Gruppe (weiblich, Migrationshintergrund) die größten Hürden zu überwinden hat – und, was noch beeindruckend war: deren Willensstärke und Haltung. Eine Teilnehmerin sagte: »Wir können hier wirklich was verändern!« Keine Frage, dass sie es auch gewohnt sind, harte Zeiten zu durchleben, um dieses Ziel zu erreichen.

 

Matthias Henze: Das Unternehmen bist du. Das Buch für alle Selbständig – Murmann Verlag : 208 Seiten, 25, Euro

Schmerzen aushalten

Es gibt noch ein zweites Warum. Warum du dich für die Selbstständigkeit entschieden hast. Das war nicht nur eine Berufswahl – das ist eine Lebensentscheidung. Und für die lohnt es sich schon, durchzuhalten, zu kämpfen. Für viele Menschen ist die Selbstständigkeit schlichtweg das bessere Lebensmodell. Das aufzugeben, wäre langfristig womöglich fataler, als die harte Zeit durchzustehen.

Es gibt nun mal kein Leben ohne Rückschläge.

Aber während es in einem Angestelltenverhältnis oft ein langsames Dahinsiechen sein kann (»Noch zwölf Jahre bis zur Rente, kann es kaum erwarten, ich habe den Laden so satt«), ist eine Krise in der Selbstständigkeit eher ein vehementer Tiefschlag – der dir, wenn du es klug angehst, allerdings auf deinem weiteren Weg nutzen kann.

Weil es eben keine Ausreden gibt. Weil du dich nicht verstecken kannst, weil du – und nur du – dich dem Problem stellen und es lösen musst. Weil du schnell daraus lernen musst, und weil du im Grunde morgen schon etwas anders machen kannst. Eine neue Dienstleistung entwickeln, ein neues Produkt anbieten, eine neue Nische suchen. Ein Problem »auszusitzen«, das wird nicht funktionieren, das würde auch dem Selbstverständnis eines Kleinunternehmers nicht entsprechen. Die Kreativität von Soloselbstständigen ist oft beeindruckend. Wie sie mit geänderten Rahmenbedingungen umgehen, wie sie mit einer anderen Sache neu anfangen. Weil sie nicht rumheulen, auch wenn es zum Heulen ist.

Sich diese Warums in Erinnerung zu rufen, das wird helfen.

Es hindert dich auch daran, die Opferrolle einzunehmen. Du hast damals so entschieden – und es liegt nun auch an dir, Änderungen durchzuziehen. Auch wenn es Gegenwind gibt. Wir hatten bei Jimdo oft Gegenwind, viel zu oft wendete sich das Blatt zu unseren Ungunsten. Freunde haben mich oft gefragt, wie lange ich das eigentlich noch machen wolle. Sie hatten durchaus gute Gründe, das zu fragen.

Ich habe trotzdem weitergemacht. Irgendwann ist es besser geworden. Das ist nun mal so: Wenn der Kern gut ist, wird es besser.

Später, wenn du auf die Zeit zurückschaust, wirst du mit Stolz auf das Erreichte blicken: »Da bin ich rausgekommen!« Und darauf kannst du bei der nächsten Krise aufbauen. Das macht die Krise nicht besser, aber du weißt, dass du mit dem Druck umgehen kannst.

 

Zeitfenster festlegen

Was auch hilft, mit einer Krise fertigzuwerden, ist, sich ein Zeitfenster festzulegen. Vor allem, wenn es um finanzielle Fragen geht. Der Stress, nicht zu wissen, wie man die Fixkosten deckt, ist richtig anstrengend. Kredite, ausbleibende Honorare, Steuerzahlungen, Miete, Handyvertrag, Essen, alles läuft ja weiter – trotz Krise. Da hilft es, sich einen finanziellen Zeitrahmen zu setzen. Also präzise festzulegen:

Wie weit kannst du noch gehen?

Wie lang reicht das Geld noch?

Wenn du da ein konkretes Zeitfenster hast, wenn du dir ein Datum setzt, an dem die Reißleine gezogen wird, kann das deinen Kopf auch beruhigen. Denn du weißt jetzt genau, wie viel Zeit dir noch bleibt – allein das kann schon Energie freisetzen. Weil du zwangsläufig aktiv werden musst. Weil dir was einfallen muss. Es empfiehlt sich übrigens, das Zeitfenster in Abstimmung mit dem Steuerbüro festzulegen. Dort hat man unter Umständen einen genaueren Blick darauf, was noch möglich ist und wann eine Grenze gezogen werden müsste.

 

Es geht nicht um dich – es geht um dein Business

Das ist ganz entscheidend! Denn ein Problem bei Selbstständigen ist, dass Krisen häufig persönlich genommen werden.

Stell dir folgendes Szenario vor:

Der Start war ganz okay. Die ersten Kunden konnten gewonnen werden. Doch dann ebbt es ab. Es lässt sich nicht genau erklären, woran es liegt (was meistens der Fall ist). Keine E-Mail-Anfragen mehr, das Telefon bleibt stumm, im Onlineshop tut sich auch nichts. Zu Beginn beruhigst du dich: »Das wird schon«, »Ist ja gerade Urlaubszeit«, »Nächste Woche ist sicher besser!«

Nach ein paar Tagen wird dir mulmig:

»Hä? Was ist denn los?« In den nächsten Tagen auch nichts. Keine Kunden weit und breit.

»Woran liegt das???«

Und dann beginnt die für Soloselbstständige sehr typische Selbstkasteiung:

»Ist mein Angebot falsch?«

»Bin ich zu teuer?«

»Zu billig?«

»Ist meine Qualität zu schlecht?«

»Bin ich einfach zu schlecht? – Klar, es gibt viel Bessere als mich!!«

»Ich tauge nicht zum Führen eines Unternehmens!!«

»Das war ein Riesenfehler, mich selbstständig zu machen! Ein Riesenfehler!!!«

Das Blöde dabei: Das hilft auch nicht weiter. Die Kunden bleiben trotzdem aus, und die Selbstzweifel nehmen zu. Du wirst leicht panisch. So hast du dir das alles nicht vorgestellt. »Warum, zum Teufel, musste ich mich selbstständig machen?!« – »Ich bin ein Versager, ich kann nichts!«

Dann bist du in einer Spirale, aus der du kaum herauskommst. Dich emotional so aufzuladen, bringt ganz und gar nichts. Ganz im Gegenteil: In einem emotionalen Ausnahmezustand wird es dir nicht gelingen, kluge Entscheidungen zu treffen.

Einfach abheben

Mir hat das Abheben geholfen. Im wahrsten Sinn des Wortes. Schon als Jugendlicher habe ich mich für das Segelfliegen begeistert. Wie man den Boden verlässt, dass man auf die Luftströmungen achten muss. Es erfordert Mut, weil man leicht zum Spielball der Winde und Strömungen werden kann – wie auch Selbstständige schnell zum Spielball werden. Das aber souverän zu meistern, hilft jedem bei der Charakterbildung.

Was auch hilft beim Segelfliegen, ist die Perspektive.

Mein Vater meinte einmal sehr trocken: »Na, Matze, dann kannst du dir ja deine Probleme von oben angucken, oder?«

Aber genau so muss man in Krisen denken: das Persönliche vom Business trennen und gedanklich von oben draufgucken.

 

Worst-Case-Szenario festlegen

Wenn die Schwierigkeiten doch zu groß werden. Wenn der Berg an Forderungen immer größer wird, du keinen Ausweg mehr siehst, gibt es noch einen gedanklichen Trick, der immer ein wenig die Luft rausnimmt:

Frag dich einfach, was das Schlimmste wäre, was passieren kann.

Mal dir dein eigenes Worst-Case-Szenario aus. In den meisten Fällen sieht es weniger übel aus, wenn man sich den vermeintlichen Untergang gedanklich konkretisiert. Auch das hat mir immer sehr geholfen.

Also, das Ziel muss immer sein: Ruhe im Kopf! Dazu erst die Warums klären, sich einen Zeitrahmen setzen, das Business von dir als Person trennen – und prompt endet das Gedankenkreisen. Ein Beispiel ist Sebastian, der Moderator. Der hat trotz Auftragsflaute die totale Ruhe und ein Grundvertrauen in sich selbst – beste Voraussetzungen, um da gut wieder rauszukommen.

 

Analysieren

Wenn Ruhe eingekehrt ist, dann kommt der nächste Schritt.

Auch wenn es schwer vorstellbar ist, gerade in diesen Krisenzeiten braucht es Zeit zum Reflektieren. Zeit, nach hinten zu schauen, zu überlegen, wie was gelaufen ist, wie man in die jetzige Situation geraten ist, was sich in der Welt geändert hat, was du gelernt hast, einfach alles einmal durchzugehen.

Der Schritt nach vorne beginnt mit einem In-sich-Gehen.

Denn: »Pain + Reflection = Progress«

Schmerz + Reflexion = Fortschritt.

Das ist nicht von mir, das ist von Ray Dalio, einem US-amerikanischen Unternehmer. Aber es hat sich in meinem Unternehmerdasein immer bewahrheitet. Die emotionale Achterbahnfahrt als Selbstständiger wirst du nur aushalten können, wenn du in den schweren Zeiten deinen Kopf einschaltest – und ihn arbeiten lässt.

Meistens haben existenzielle Krisen nicht nur einen Grund, sondern verschiedene Dinge sind zusammengekommen. Das heißt, du solltest dir die Zeit nehmen, alles Stück für Stück herunterzubrechen, um die Probleme dann mit einem guten Schritt-für-Schritt-Plan anzugehen. Das hat den großen Vorteil, dass du diesen bedrohlichen Berg in Etappen meisterst. Du wirst nicht alles auf einmal lösen können.

Beginne nicht mit einem Marathon, sondern mit einer Ein-Kilometer-Strecke und steigere das dann allmählich. Richtig wertvoll wird der Prozess, wenn du analysierst, was falsch gelaufen ist, was du daraus lernst und wie du es beim nächsten Mal besser machen kannst.

Neuen Spielraum schaffen

Ja, Krisen sind wirklich hilfreich. Und bevor ich noch den Satz schreibe, eine Krise sei eine Chance, sage ich lieber: Es sind diese Stresssituationen, die dir helfen, deinen Unternehmermuskel zu trainieren.

Wenn du den Stress und den Schmerz überstehst, dann stärkt dich das als Selbstständigen. Du wirst Dinge besser einordnen können, du wirst erkannt haben, worin du stark bist, und das macht dich krisenresistenter. Vor allem, wenn du dir einen neuen Spielraum geschaffen hast.

In einer Krise lernst du am meisten. Und wenn du die richtigen Schlüsse daraus ziehst, führst du dein Business auf ein neues Level. Wenn sich die Krise beispielsweise in einem gesteigerten Wettbewerb zeigt. Wenn es in deiner Domäne immer mehr Anbieter gibt, die machen, was du machst, wie gehst du damit um? Wie passt du dich an? Mit welchen Strategien, mit welchen Ideen wirst du wieder deine besondere Stellung in der Branche einnehmen können?

Wenn du dich damit aktiv und vor allem ehrlich auseinandersetzt, wenn du mutig neue Dinge ausprobierst – neue Vertriebswege, neue Dienstleistungen, vielleicht Abomodelle –, dann wirst du dich immer weiter entwickeln. Und Weiterentwicklung ist der Kern erfolgreichen Unternehmertums.

 

Mein Unternehmen verdient mich in bester Verfassung

Selbstständige haben in einer Krise einen sehr ungesunden Reflex. Sie arbeiten einfach stumpf mehr bzw. sie ackern noch mehr als zuvor. Man will sich ja nicht später vorwerfen, nicht alles Erdenkliche versucht zu haben. Oft ist das aber nur der Anfang einer Spirale.

Mehr arbeiten bedeutet auch: Weniger schlafen, weniger Sport, weniger soziale Kontakte, weniger frische Luft – und nicht selten wird vergessen, regelmäßig und gesund zu essen. Die Folge: Du löst dein Problem nicht.

Stattdessen wirst du langsamer, müder und versuchst es mit noch mehr Arbeit zu kompensieren. Dann lässt die Konzentration nach. Gepaart mit dem Druck kannst du nicht mehr so klarsehen, du triffst zwangsläufig schlechtere Entscheidungen.

Ja, ich habe es oft genug für dich ausprobiert. Das funktioniert nicht. Es wird im ungünstigsten Fall noch mehr kaputtmachen. Das heißt: In anstrengenden Situationen musst du ganz besonders auf dich aufpassen.

Ausreichend schlafen, regelmäßig essen, frische Luft schnappen. Statt panisch einen Gang hochzustellen, lieber Geschwindigkeit rausnehmen. Ich weiß, in der Theorie klingt das easy. Wenn du in der Situation drinsteckst, hältst du das für sinnlose Esoterik. Ist es aber nicht. Ruhe und Gelassenheit sorgen für smarte Entscheidungen. Und mit smarten Entscheidungen kommst du wieder raus aus dem

Loch. Woher ich das weiß?

Aus eigener Erfahrung.

Denn, ich kenne genügend dieser »Nahtoderfahrungen«.

 

Sparschwein von den Mitarbeitenden

Als wir uns damals mit Jimdo von einem großen Anbieter, der bei uns eingestiegen war, rausgekauft haben, stand es Spitz auf Knopf.

Es ging um die Zukunft des Unternehmens.

Klar war, wir mussten uns rauskaufen. Da führte kein Weg daran vorbei. Das war die einzige Möglichkeit, sonst wäre die Firma wahrscheinlich an der Partnerschaft zerbrochen. Bereits im Sommer deutete sich der Deal an, im Oktober würde er stattfinden. Das hieß für uns: Ab November mussten wir profitabel sein. Sonst hätte es nicht funktioniert. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir jeden Stein umgedreht, um herauszufinden, wo etwas eingespart werden kann. Punkt eins: Wir haben auf das Gehalt verzichtet. Dann haben die 20 Mitarbeitenden ein Sparschwein aufgestellt, in das sie freiwillig für das gemeinsame Freitagsfrühstück eingezahlt haben. Wir sind jede einzelne Rechnung durchgegangen, ob und was noch geschoben werden kann. Es war eine Zeit der Zahlen und des Rechnens. Alles war zäh, alle waren angespannt.

Ich war so unter Druck, ich konnte kaum noch schlafen. Doch wir wussten: Sparen allein würde uns nicht voranbringen.

Parallel haben wir damals einen Innovationsturbo gezündet. Ja, wir haben – trotz gedanklichen Dauersparens – ein neues, teureres Produkt eingeführt, in der Hoffnung, dass es irgendjemand kauft. Es war so etwas wie eine letzte Chance. Niemand konnte sagen, ob und wie es mit Jimdo weitergeht. Doch dann die positive Entwicklung: Das neue Produkt hatte prompt funktioniert und uns nachhaltig stärker gemacht. Wir haben den November dann zum J-INDEPENCE-Monat erklärt. Uns war nicht nur die Unabhängigkeit vom bei uns eingestiegenen Konzern gelungen, wir hatten uns mit dem neuen Produkt nach vorn gearbeitet.

Und alles Rechnen und Sparen hatte sich auch ausgezahlt: Wir haben in diesem November 2000 Euro Überschuss gemacht und davon erst mal eine gute Kaffeemaschine fürs Büro gekauft. Was ich damit sagen will: einfach machen.

 

Es geht immer übers Machen

Der Weg aus der Krise geht übers Machen. Das hat sich vor allem in der größten Krise der Selbstständigen und der globalen Ausnahmesituation Corona gezeigt. Da standen nicht wenige Kleinstunternehmen mit dem Rücken zur Wand – wenn sie überhaupt noch standen.

Doch exakt in dieser Situation wurden viele auch widerständig. Ich kenne den Besitzer einer kleinen Confiserie in Österreich. Corona kam, sein Laden musste schließen, keiner kaufte mehr Pralinen. Er war zur Untätigkeit gezwungen, was er nicht lange aushielt. Also mietete er sich einen Kühlwagen und organisierte einen Confiserie-Lieferservice.

Das brachte ihm zwar weniger Umsatz, aber wie sagte er mir: »20 Prozent vom bisherigen Umsatz waren besser, als gar keinen Umsatz zu machen.« Das ist Resilienz: Gucken, was man hat, welche Fähigkeiten, worin man gut ist, welches Netzwerk man aktivieren kann, und dann gucken, was man unter den neuen Umständen daraus machen kann. Nicht aufgeben. Weitermachen, irgendwie weitermachen. Ein Unternehmer hat mal zu mir gesagt, sein Ziel sei es, dass man ihn »irgendwo in einer Wüste absetzen könnte und er sich trotzdem zurechtfindet, einen Weg findet und anfängt, Geschäfte zu machen.« Egal, wo, egal unter welchen Umständen. Egal, wie weltumspannend die Krise, egal, wie wenig Zuversicht viele Menschen verspüren – als Unternehmer gehört dir der aktive Part.

Du machst.

Wie auch Moritz, der während Corona eine große Chance verpasste – und eine neue schuf.

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